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Die Bankenwechselparty vom 14. April 2012

14. April 2012:

Fulminante Bankwechselparty in Freiburg

Fotos: Karl Schwörer,

Text: Jutta Sundermann

Film: Yorick Niess  youtu.be/iU-ClcbrQeM

 

 

Ein bisschen kalt ist es an diesem Samstagnachmittag. Unverdrossen dekorieren die Freiburger Attacies die offene Garage vor dem „Vorderhaus“ der Freiburger „Fabrik“ zur Cocktailbar und Verpflegungs-Theke. Sie schmieren leckere Brötchen – die Verpflegung für die hoffentlich zahlreichen TeilnehmerInnen der großen Bankwechselparty.

Währenddessen laufen die letzten Proben und Sound-Checks auf der Bühne im Veranstaltungssaal.

Die Band braucht etwas länger, die Leute vom SUSI-Chor warten geduldig vor der Tür auf ihren Probeauftritt. Der Tontechniker reguliert die Stimmen des Moderators und der Sängerin.


Infotisch und Kasse sind startklar, die größte Sorge macht der Crew die Frage, wie viele Menschen wohl kommen werden. Das Format ist ungewöhnlich. Um einen Teil der Ausgabe wieder reinzukriegen, kostet der Eintritt 10 Euro pro Person.

Aber dann geht es los – auch mit der ersten großen Erleichterung: Der Saal ist gut gefüllt.

Die Anwesenden lassen sich schnell mitreißen vom Programm auf der Bühne. Der Schauspieler Nicola Fritzen war schon bei der Europäischen Sommerakademie im Vorjahr in Freiburg für Attac im Einsatz und hat seitdem Lust auf das globalisierungskritische Netzwerk. Jetzt führt er in den Abend ein. Von Andreas Binder am Flügel begleitet singt Johanna Bickel mit Nicola im Duett vom großen Geld. Mit einiger Anstrengung und Johannas Hilfe schafft Nicola das Motiv des Abends auf die Bühne: zwei bunte Banken, äh Bänke. Ein Running Gag des Abends ist damit gewährleistet, Bankwechsel geht hier innerhalb von Sekunden. Liebevoll haben die Freiburger Attacies weiße Stoffkissen mit Kröten bemalt, die das Bühnenbild abrunden.

 

Der Berliner Journalist Harald Schumann erklärt dem „Immer-Noch-Postbankkunden“ Nicola Fritzen, warum es eigentlich überhaupt Banken gibt.

Dann wird es voller auf den farbigen Gartenbanken. Thomas Jorberg vom Vorstand der ethischen GLS-Bank und Erich Greil, Direktor der Freiburger Sparkasse, sowie Jutta Sundermann vom bundesweiten Kampagnenteam der Krötenwanderung gehen der Frage nach „was macht die Bank mit meinem Geld?“ Obwohl sie mehrfach eingeladen worden waren, gelang es nicht, einen Vertreter der Commerzbank oder der Deutschen Bank für die Veranstaltung zu gewinnen.


Der Handel mit riskanten Derivaten, Banken, die zu groß sind zum Scheitern, Atom- und Rüstungsinvestitionen werden angeschnitten, intensiver wird die Diskussion um die folgenreiche Agrar-Rohstoff-Spekulation, aus der sich aktuell die Deka-Bank der Sparkassen zurück gezogen hat und zu der auf Europäischer Ebene derzeit wichtige Regulierungen diskutiert werden.

Starker Tobak findet Nicola, teilt mit dem Publikum seine vielen Sorgen über die Folgen des Bankenhandelns – und mündet in ein Duett mit Johanna „I'm so worried about“.


Mit Aktionsfotos an der Wand stellt Jutta Sundermann die Idee der Bankwechsel-Kampagne vor. Sie zeigt, welche Themen die Kampagne immer wieder hervorhebt und wie viel Phantasie freizusetzen ist, wenn es um die Kröten, deren Wanderungsbewegungen und eine intensive Auseinandersetzung mit den Banken geht.

Plötzlich stehen mitten im Publikum Menschen auf. Sie gehören zum Freiburger SUSI Chor und stimmen ihr erstes Lied an, mit dem sie dann auf die Bühne ziehen. Passend zum Thema haben sie ihre Beiträge ausgewählt und bekommen vor dem Beginn der Pause einen begeisterten Applaus. Auch für ihre Sparbuch-Alternative: Als alternatives Wohnprojekt freuen sie sich – bankenfrei – über Direktkredite.


Die KünstlerInnen eröffnen auch den zweiten Teil des Abends. Mit Liedern und Tucholsky-Texten. Dann ist es Zeit für die nächste Gesprächsrunde auf den Gartenbänken. Harald Schumann ist erneut im Einsatz und der Fachbereichsleiter Finanzmärkte beim Freiburger Zentrum für Europäische Politik, Bert van Roosebeke. Sie nähern sich der Frage, welche Rolle die Banken in der Eurokrise spielen. Es wird komplex. Das Handeln der Politik und der Banken greift ineinander. Die Banken werden – obwohl sie sich nach der großen Finanzkrise von 2008 kaum verändert haben, mit billigen Milliarden versorgt, in der Hoffnung, dass sie den Pleite-Staaten ihre Staatsanleihen abnehmen mögen. Während Jutta wieder die Gesprächsführung innehat, unterbricht Nicola die konzentriert Diskutierenden mehrfach, um die wichtigsten Thesen spontan zu tanzen! Zur Musik des Flügels legt er los und bringt in rhythmischer Pantomime faszinierende Bewegungen zustande: Mal stellt er den abkassierenden Bänker dar, mal den verzweifelten mit leeren Hosentaschen. Dann versucht er einen imaginären Schmetterling zu erhaschen und steigt gar auf einen Stuhl, um sich an einem unsichtbaren Seil zu erhängen. Der Applaus gibt dem Regisseur des Abends, Christian Doll, recht: Getanzte Zwischen-Resümees sind eine tolle Anregung auch für andere Attac-Veranstaltungen!


Nach dem Exkurs über die Eurokrise geht es um Alternativen zum heutigen Bankensystem.Christian Felber von Attac Österreich berichtet sie dort dazu kamen, eine demokratische Bank zu fordern, deren Aufgaben klar begrenzt sein sollen auf die ursprünglichen Bankengeschäftsbereiche der Kreditvergabe und Spargeldannahmen.

Die Österreicher sind jedoch nicht beim theoretischen Modell geblieben. Seit über einem Jahr arbeitet eine motivierte Schar an der Gründung eines kleinen Modells und Ausprobierfeldes für ihre Idee: die demokratische Bank soll bald schon Realität werden, wenn auch erstmal in klein. www.demokratische-bank.at)


Harald Schumann lädt zum Schluss dazu ein, sich zu engagieren für eine wirkungsvolle Regulierung der Finanzmärkte zur Eindämmung der exessiven Rohstoff-Spekulation. Zudem weist er darauf hin, dass mehr Druck entwickelt werden müsse, gegen die Banken, die zu groß zum Scheitern sind vorzugehen. „Too big to fail is too big to exist“, zitiert er US-Senator Bernie Sanders. „Too big to jail“, spitzt Christian Felber zu.


Dem Freiburger Künstler und Kabarettisten Jess Jochimsen gehört die Bühne, bevor gegen 22.00 Uhr die Band Matou Noir übernimmt. Aus seinem depressiven Tagebuch liest er zahlreiche tragische und dennoch die Lachmuskeln reizende Gedanken vor. Scharf kritisierte er die Sparkasse Freiburg – weil die vor einiger Zeit ihren Münz-Sortierer abgeschafft habe und nun die liebevoll gesammelten Münz-Schätze von kleinen und großen Freiburgern nur noch gegen Gebühr entgegennimmt und „einschickt“. Als er wütend drohte, das Geld auf dem Boden der Bank auszuschütten, wurde er ermahnt, dass das von der Sparkasse als Sachbeschädigung gewertet werden würde.


Keine Frage, dass am Ende auch noch die Band begeisterte mit ihrer überaus tanzbaren Musik.

Die Freiburger Attacies und allen voran Astrid Schaffert können sich vor gut begründeten Glückwünschen kaum retten. Ein Wunsch fordert besonders heraus: Dass es künftig weitere so tolle Bankwechsel-Partys geben möge!

 

Link zum Film: youtu.be/iU-ClcbrQeM


Bankwechselparty - Lass deine Kröten wandern! - Die Ankündigung

 Die Banken- und Finanzkrise ist mitnichten überwunden. Sie erlebt in der Eurokrise eine logische, sozial dramatische Fortsetzung. Das Wissen über Banken- und Finanzmarktzusammenhänge ist nach wie vor gering, obwohl uns nahezu täglich neue Meldungen unterbreitet werden. Die Komplexität scheint immer größer zu werden. Immer weitere Kreise der Bevölkerung sind zutiefst verunsichert, ein ungutes Gefühl und individualisierte Furcht ist vorherrschend. Weder der Regierung noch den Finanzmarktakteuren wird eine Lösungskompetenz zugeschrieben.

Wir möchten Licht ins Dunkel der Geschäfte auf den Finanzmärkten bringen. Welche Rolle spielen die Banken in der Krise? Welche Geschäftspolitik betreibt Ihre Bank? Wo investiert Ihre Bank Ihr Geld? Steckt sie Ihr Geld in Tellerminen? Finanziert Ihr Geld Atomkraft? Verursacht Ihr Geld die nächste Finanzkrise? Treibt Ihr Geld Nahrungsmittelpreise in die Höhe und verursacht dadurch Hunger in der Welt? Welche Lobbypolitik treibt Ihre Bank in Ihrem Namen? Welche Alternativen sind denkbar? Welchen Beitrag kann jeder und jede Einzelne zu einer sozial gerechteren und ökologischen Lösung der Finanzmarktkrise beitragen? Wohin können wir unsere Kröten wandern lassen, damit sie der Gesellschaft dienen und ihre zerstörerische Kraft verlieren? Diesen und weiteren Fragen gehen wir auf den Grund.
 

Hervorragende und weniger hervorragende Vorträge zur Bankenkrise gibt es reichlich. Bei der Bankwechselparty gehen wir einen Schritt weiter: Es wird nicht nur packende und klar verständliche Informationen geben. Wir kombinieren in einer einzigartigen Mischung politische und ökonomische Inhalte mit kulturellen Beiträgen. Bei systemrelevanter Musik, transparenten Informationen und bankenkritischen Cocktails mit Rettungsschirmen vermitteln wir darüber hinaus das informative und organisatorische Rüstzeug für einen unkomplizierten Bankwechsel. Lassen Sie Ihre Kröten wandern!

Diskussionen mit:

  • Harald Schumann (Journalist Tagesspiegel)
  • Christian Felber (Autor, Initiator der „Demokratischen Bank“)
  • Erich Greil (stv. Vorstandsvorsitzender Sparkasse Freiburg- Nördlicher Breisgau)
  • Thomas Jorberg (Vorstandssprecher GLS-Bank)
  • Dr. Bert van Roosebeke (Finanzmarktexperte des Centrum für Europäische Politik- cep)

Interventionen mit:

  • Nicola Benjamin Fritzen (Schauspieler)
  • Juttas Sundermann (Attac)
  • Jess Jochimsen (Kabarettist)

Musik mit:

  • Johanna Bickel
  • Matou Noir
  • Andreas Binder (Klavier)
  • S|U|S|I-Chor

 
  Regie: Christian Doll, Intendant der Gandersheimer Domfestspiele
  
  Samstag, den 14.4.2012 von 17-23 Uhr
  Eintritt: 10€ / 8€ ermäßigt
  Vorverkauf über http://www.vorderhaus.de
  Konzert: 22-23 Uhr, Eintritt frei

--> Flyer

Vorderhaus, Habsburgerstr.9